Der Einsatz der Me 262 hatte eine Revolution
sowohl in der Technik als auch in der Taktik der Jagdflugzeuge
zur Folge und löste im Jahre 1944, nicht einmal drei Jahrzehnte
nach deren erstmaligem Gefechtseinsatz im ersten Weltkieg, die
Ära der kolbenmotorgetnebenen Jagdflugzeuge ab. Aber die
Geburtswehen der Strahlflugzeuge sorgten auch dafür, daß die
kolbenmotor getriebenen Jäger weiterhin ihren Platz behalten
sollten - nämlich den Schutz gerade der Flugzeuge, die sie
eigentlich ersetzen sollten. Wegen der geringen Lebensdauer der
Triebwerke (25 Stunden), die teilweise durch den Mangel an
strategisch wichtigen Metallen und Legierungen für die Turbinen
bedingt war, reagierte die Me 262 sehr empfindlich auf rasche
Leistungs hebeländerungen und verlangte nach langen flachen
Starts und ebensolchen Anflügen bei der Landung. Diese
Verletzlichkeiten konnten natürlich den alliierten Jagdfliegern
nicht lange verborgen bleiben, und mit Hilfe entschlüsselter
Geheimberichte (ULTRA)und durch Aufklären bekannter Plätze, auf
denen Strahljäger stationiert waren, gelang es ihnen bald, sich
mit einiger Aussicht auf Erfolg mit den neuen Jägern einzulassen
("blow jobs" und "rat catching"). Um dieser Gefahr zu begegnen,
glaubte die Luftwaffe, daß propellergetriebene Jäger die
örtliche Flak ergänzen und für eine Frühwarnung vor feindlichen
Aktivitäten im umliegenden Luftraum sorgen könnten. Fotos und
Dokumente beweisen, daß Einheiten wie die III./KG (J) 54 und die
III./JG 7 eine kleinere Anzahl FW 190A-8 bzw. Bf 109 G-14 zum
Schutz ihrer Strahljäger einsetzten. Soweit bekannt ist, führten
diese kleinen Einheiten keine offiziellen Namen. Die Bedeutung
dieser Abwehrmaßnahmen ist jedoch daran zu ermessen, daß der
erste offizielle Auftrag an die Hochleistungs- jäger FW 190D-9
bei ihrem Erstemsatz bei der III./JG 54 im Oktober 1944 in der
"Flugplatzverteidigung für die Sonderjäger" bestand, d.h.,im
Schutz der von Hesepe und Achmer aus operierenden Me 262 des
Kommandos Nowotny. Als dann sechs Monate später bei Aufstellung
des JV 44 klar wurde, daß dieser Schutz wegen der
Luftüberlegenheit der Alliierten notwendig sein würde, wurde die
Papagei-Staffel ins Leben gerufen
Die folgenden Ausführungen zu den
Einsatzverfahren des Jagdverbands 44 stellen eine Synthese aus
dem von Steinhoff (1976) und Toliver und Constable (1991)
präsentierten Material und den Erinnerungen Hptm. Fabers und
Obit. Stiglers dar. Zur Ergänzung und Bestätigung ihrer
Kommentare dienten verschiedene veröffentlichte (z.B. Held,
1988) und unveröffentlichte Fotos (Sammlung Stigler). Der
Gefechtsstand des JV 44 befand sich in einer Schule am
westlichen Rand des Dorfes Feldkirchen, etwa zwei Kilometer
östlich des Flugplatzes. In dem Dorf war auch eine kleine, dem
JV 44 direkt unterstellte Radareinheit untergebracht. Der
Feldgefechtsstand in einem Zelt auf dem Flugplatz selbst stand
unter dem Kommando von Lt. Herbert Kaiser, dem Leiter der
Bodenkontrolle. Dadurch war das Verlegen der Gefechtsstände, das
infolge der ständigen Angriffe der Alliierten auf den Flugplatz
häufig notwendig war, relativ einfach. Der spartanische Ruheraum
für die Piloten bestand lediglich aus mehreren kleinen
Holzschuppen, einigen Gartenstühlen und Tischen sowie einem
Feldtelefon. Anhand des Hintergrunds der veröffentlichten Fotos
der JV 44-Piloten nehmen wiran, daß sich dieser Ruheraum nahe
der Stationsgebäude am nordwestlichen Rand des Flugplatzes
München-Riem befand. Die Me 262-Jäger des JV 44 waren am
westlichen Rand des Platzes neben der hohen Ziegelmauer, die den
nordwestlichen Teil des Platzes abgrenzte, untergebracht. Man
nimmt an, daß die Papagei-Staffel ihre Doras etwas südlich der
Me 262 in der Nähe der westlichen Startplattform abgestellt
hatte. Ein typischer Einsatz dürfte etwa so abgelaufen sein:
Wenn die regionalen Luftverteidigungsstellen oder die eigene
Radareinheit des JV 44 in Feldkirchen feststellten, daß
alliierte Bomberkräfte in den Abfang- bereich eingedrungen
waren, gingen Informationen über Kurs, Höhe, Geschwindigkeit und
ähnliches unverzüglich über Telex oder Telefon an den
Feldgefechtsstand des JV44 und von dort aus an die in ihren
Ruheräumen wartenden Piloten. Sobald durch das kontinuierliche
Uberwachen feststand, daß ein Abfangen der Bomber möglich wäre,
legte der Kommandeur des JV44 eine Startzeit fest, die
unverzüglich an die Me 262-Piloten, die Papagei-Staffel und die
den Flugplatz umgebenden Flak-Batterien weiter- gemeldet wurde.
Falls erforderlich, starteten dann die Doras spätestens fünf
Minuten vor den Me 262, um genügend Vorsprung zu haben,
maraudierende Jäger der Alliierten abzufangen, die vor
Eintreffen der Bomberkräfte über dem Flugplatz auftauchen
könnten. Der Start der Doras war für die Me 262-Piloten meistens
das Zeichen, daß es los ging. Wenn die Dora- Piloten
bestätigten, daß die Luft rein war, starteten die Jäger so rasch
wie möglich. Nach dem Start der Jäger kehrten die Doras wieder
in ihren Bereitstellungsraum zurück, um auf die Rückkehr der Me
262 zu warten. Diese Taktik wurde wahrscheinlich beibehalten,
als der JV 44 nach Salzburg-Maxglan verlegte. Es ist jedoch auch
möglich, daß von dort aus keine Einsätze mehr geflogen wurden.
Die 'Rote 1' (WkNr.600424), die Maschine vom Staffelkapitän
Hptm.Waldemar Wübke
Man nimmt an, daß die Papagei-Staffel ihre
Einsätze mit der Dora am 19.April 1945 aufnahm. Steinhoff
erinnert sich in seinem Buch "The Last Chance" (1977,S. 153) an
Bemerkungen Oberst Lützows am Morgen des 18. April (an dem Tage,
an dem Steinhoff seinen beinahe tödlich endenden Absturz hatte),
als dieser erklärte, Lt. Sachsenberg würde am folgenden Tag
Luftraumsicherung für die Me 262 fliegen. Auch Hptm. Klaus
Faber, einer der anderen Piloten der Staffel, erinnert sich, daß
er frühestens Mitte des Monats beim JV 44 eintraf. Vorher war er
beim Stab/JG 6 in Oberschlesien unter Maj.Gerhard Barkhorn
gewesen, und hatte erst Anfang April Befehl erhalten, sich bei
Gen.Lt. Galland in München-Riem zu melden. Daraufhin flog er
nach Pilsen, wo er seine Bf 109 G abgab und seinen Weg nach
Regensburg fortsetzte. Dort übernahm erdie FW 190 D-9 (Rote 13)
und flog damit schließlich nach München-Riem. Über die
Einsatzgeschichte der Papagei- Staffel ist praktisch nichts
bekannt, was angesichts ihrer sehr begrenzten Rolle und der
Kürze ihres Einsatzes nicht verwunderlich ist. Sowohl Hptm.
Faber als auch Obit. Stigler erklärten, daß sie sich an nur
wenige Einsätze der Staffel während ihres Aufenthalts von nicht
einmal zwei Wochen in München-Riem erinnern können. Es gibt
weder Erinnerungen noch Aufzeichnungen über Luftkämpfe mit
alliierten Jägern und damit auch keine Abschüsse. Der letzte
bestätigte Me 262-Einsatz (und sieg reiche Luftkampf) des JV 44
datiert vom 28.April (Smith & Creek, 1982, Foreman &
Harvey,1990). Bereits um den 29.130. April war die Einheit
gezwungen, von München-Riem nach Salzburg-Maxglan und Innsbruck
zu fliehen. Dabei mußten zwei nicht flugklare Doras der
Papagei-Staffel zurückgelassen werden, die 'Rote 1' und die
"Rote 4". Die restlichen drei Doras (Rote 13 und Rote 8(?) sowie
die unbekannte Maschine) wurden nach Amring, einige
Kilometerwestlich Salzburg-Maxglans verlegt, wo auch der
Großteil der Me 262 stationiert wurde. Es könnte sein, daß ein
oder zwei Einsätze der Me 262 von dort aus geflogen wurden, eine
Bestätigung dafür gibt es jedoch nicht.
Die 'Rote 13' (WkNr.400240), wie sie von amerikanischen
Bodentruppen am Flugplatz Ainring am 6. Mai 1945 vorgefunden
wurde.
Interessanterweise könnte es sein, daß den
letzten Luftsieg des JV44 Hptm. Faber in seiner D-9 errungen
hat, der angibt, eine P-47 Thunderbolt über Bad Aibling
abgeschossen zu haben, als er unterwegs zum Whiskey holen war
(Faber zu J. Orandall, 1989). Dieses bisher nicht bestätigte
Zusammentreffen soll am 4. Mai stattgefunden haben, als sich die
Staffel in Amring befand. Dies war der Tag nach der Zerstörung
der Me 262 des JV 44 in Salzburg-Maxglan, als die Maschinen vor
den Augen der 3. US-Panzerdivision am 3. Mai gesprengt wurden.
Das Kriegstagebuch des Generals der Flieger Karl Koller (Smith,
1990,S.80) enthält einen Eintrag, wonach dieser telefonisch mit
dem Kommandeur des JV44, Heinz Bär, in Salzburg am Abend des 3.
Mai über dessen Absicht sprach, auf Gallands Befehl alle nicht
einsatzfähigen Flugzeuge am folgenden Tag (d.h. den 4.Mai) zu
sprengen. Es scheint, daß die Hauptstoßrichtung der Amerikaner
Salzburg war, und die US-Truppen südlich an Amring vorbei
vorstießen, da am Abend des 3. Mai keine Meldungen über Truppen
in der unmittelbaren Umgebung Ainrings gemeldet wurden. Trotzdem
gaben die Piloten spätestens am 5.Mai ihre Flugzeuge auf und
beendeten damit das kurze 16-tägige Leben der Papagei-Staffel
und mit ihr das des Jagdverbands 44. |